Ver-Dichtungen im therapeutischen Prozess: Trauer und Schönheit (Beiträge von Klienten)

roberthiesel, · Kategorien: Allgemein · Schlagwörter: , ,

Wo bist Du?

Mit fortgeschrittenem Tage schon,

such ich Dich in großer Eile,

und immer mehr ich oft verzag’,

und das schon eine ganze Weile.

Zu mancher schönen Zeit,

spür ich jetzt bist Du nicht mehr weit,

doch liebe Freunde meinen,

Du wirst mir niemals je erscheinen.

Hab ich Dich damals nicht erkannt?

Und Du bist längst mit Kind bemannt?

Oder hast gar das Inkarnieren gelassen?

So muss ich Suchender nun passen.

Nun wandere ich still doch ohne Sorgen,

hinter Masken gut verborgen.

 

Gefangen

Gedanken sind Gefängnisse,

und tragen uns davon,

an Orte voller Verhängnisse,

dort waren wir alle schon.

Die Sprache pflegt das Mißverstehen,

was Du auch meinst kann ich nicht sehen.

Und morgens stets betreten wir,

unsere vertraute Gefangenschaft,

und leihen uns die Lebenskraft,

bis der Schlaf erwacht.

 

Der Süden

Der Süden – so mit Recht und Fug –

trägt Leichtigkeit in jedem Zug.

Betankt mit Licht für dunkle Tage,

verwandelt sich so manche Frage.

Selbst Schatten scheinen hell und gerne,

der Trübsinn weicht in weite Ferne.

Die finsteren Tage haben Pause,

ich trag den Süden gern nach Hause.

 

Flucht

Das Leben und das ist gewiß kein Segen,

ist flüchtig schlicht auf allen Wegen.

Warum und wohin es flüchten will,

steht nirgendwo geschrieben,

vielleicht betrifft’s nur Form und Schein,

das Geistige stets im Jetzt geblieben?

Wenige meinen sei’ alles nur ein Scherz,

Perspektiven doch bestimmen Schmerz.

Des Liebgewonnen Abschied,

gleicht dem Herzen tiefster Schlag,

und tapfer trägt es Wunden,

bis zum letzten Tag.

 

Festhalten

Ich liege da – so wie es mir gefällt,

schöne Gedanken bewandern meine geistige Welt.

Bin zu träge um sie einzufangen,

so wandern sie weiter – schon sind sie gegangen.

Soll ich sie festhalten, mich beeilen,

sie verhaften in Wort und Zeilen?

Ich lass sie ziehen in die weite Welt,

und bleibe liegen – so wie es mir gefällt.

 

Unten angekommen

Vom Schicksal noch benommen,

bin ich unten angekommen.

Das Herz zerbricht bei jedem Schlag,

um Atem gerungen – Tag für Tag.

Bitterste Tränen aussen wie innen,

in diesem Leben ist nichts mehr zu gewinnen.

Hinabgezogen durch einen Wasserschlund,

sitz ich still neben mir am Grund.

Dort oben im hellen Schein,

toben Wellen und brechen am Stein.

Der Mantel der Trauer läßt mich erstarren,

von Gedanken befreit in Leere verharren.

Dann trägt’s mich durchs Licht,

auf einen Berggipfel mit klarer Sicht.

In Tälern rauschen Belanglosigkeiten,

will nicht mehr tauchen in trüben Vertrautheiten.

Und zuletzt so ist es schon eigen,

um Leid zu lindern muss man höher steigen.

Dabei pflegt jeder so seinen Stil,

bis die Auferstehungskraft erlöst von diesem Spiel.

 

Fastenzeit

Unterwegs in tiefster Gedanken-Schlucht,

Bilder des Abschieds quälen mit voller Wucht.

Versinke im Trüben,

Schmerz überfällt mich in Schüben.

Ohne Saft und Kraft,

Rückzug in Einzelhaft.

Lasse Ängste weichen,

muss nichts mehr erreichen.

Es ist Zeit zu fasten,

Zeit zu rasten.

 

Am Ende – Zuletzt (Let it be)

Viel Getrampel und Geschrei,

ganz im Ernst und mit Tollerei,

Narzisten zwingen Posen,

Sadisten streuen Rosen,

Experten schlagen Schaum,

die Einsicht verläßt den Raum,

bei Wenigen klingelt die Kasse,

getreten wird die Masse.

Die Luft voll Kritik und Rügen,

manipuliert wird in höchsten Zügen,

Ratschläger umzingeln ihre Beute,

schießen mit Lösungen auf Leute.

Und Du?

Viel geholfen und gegeben,

reflektiert das eigene Leben,

viel zerredet und gelogen,

auf vielen Wegen sich gut verbogen.

War das Dein Wille ?

Stille.

Viel offengelegt und viel verdeckt,

ausgeteilt und eingesteckt.

Wofür hast Du so gebrannt?

Unbekannt.

Am Ende.

Das Lassen und Lösen,

das Scheiden und Flehen.

Die Wende.

Vorbei ist’s für alle die bleiben und gehen.

Am Ende.

Geht alles schnell vorbei.

Die Wende.

Und alles ist einerlei.

P.S.: …und wenn man gut schaut – jeder Augenblick ist so gebaut.

 

Mein kleiner großer Freund

Wenn Traurigkeit jetzt für immer bleibt,

und Freude in die Ferne treibt,

schau Dir nach auf unsichtbaren Wegen,

was jetzt noch kommt bringt keinen Segen.

All das Vertraute scheint verloren,

bin nicht zum Verlust geboren.

Der Schmerz sticht zu in manch’ trüben Zeiten,

darfst mich jetzt nicht mehr begleiten,

mein Herz steht bereit und möchte fort,

dort wo keine Zeit und auch kein Ort.

 

Stille

Es gibt nur Stille.

Alles Andere ist Zerstörung.

 

Winter (Im Traum gefangen)

Ins Leben gestoßen – Der Winter liegt vor mir.

Wenn nicht einmal der Dichterfürst zum Kern vordringen konnte,

Wenn selbst Christus kurz der Zweifel überkam,

Wenn Ghandi gewaltsam zu Tode gebracht,

Wenn es die Meister nicht schafften,

Was also tun?

Nichts ist zu tun,

Ein Experte des Nichts sein,

Von Nichts eine Ahnung haben,

Einfach sein – dieses Buch des Lebens.

Der Winter ist schon da.